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#3Fallstudie

Wie wirkt sich personalisiertes Online-Marketing auf den Energieverbrauch aus?

Magazin #3 | Herbst 2023

Wie wirkt sich persona­lisiertes Online-Marketing auf den Energie­verbrauch aus?

Eine Modellierung

Das Internet und Smartphones sind allgegenwärtig geworden. Das hat über die letzten Jahre dazu geführt, dass Technologiefirmen so gut wie noch nie auf detaillierte Kundeninformationen zugreifen können: Surfgewohnheiten von Nutzer*innen, ihr Kaufverhalten, ihre Interaktionen in sozialen Medien oder auch ihren Standort. Diese Informationen ermöglichen Werbetreibenden, ihre Anzeigen sehr präzise auf bestimmte Zielgruppen auszurichten. Dadurch hat sich das Online-Marketing verändert: Statt ihre Werbestrategien breit anzulegen und damit zu versuchen, möglichst viele potenzielle Interessierte anzusprechen, sind Unternehmen dazu übergegangen, ihre Werbung personalisiert und zielgerichtet zu schalten. Dazu werten sie mit KI-Systemen große Mengen von Nutzungsdaten aus und erstellen auf dieser Grundlage detaillierte Profile von Nutzer*innen. Die Kund*innen werden nach der Analyse der gesammelten Daten in Zielgruppen unterteilt. Für die jeweiligen Gruppen werden eigene Bedarfsprognosen generiert, an denen die Inhalte ausgerichtet werden, die den Nutzer*innen angezeigt werden.

In diesem Zusammenhang werden häufig datenschutzrechtliche und ethische Bedenken diskutiert, seltener jedoch ökologische Risiken. Durch die Internetnutzung werden jährlich schätzungsweise über 400 TWh an Strom verbraucht. Die Tendenz geht dahin, dass dieser Energieverbrauch in den kommenden Jahren weiterhin stark ansteigen wird. Es ist noch wenig erforscht, welchen Anteil die Personalisierung von Werbeanzeigen durch Datenanalyse-Verfahren daran hat. Allerdings ist anzunehmen, dass sie diese Entwicklung weiter forciert.

Die analysierten Nutzungsdaten stammen aus verschiedenen Quellen: Websites, Social-Media-Plattformen und mobilen Anwendungen. An diesem Datenübertragungsprozess sind Netzwerkinfrastrukturen und Rechenzentren beteiligt, die Energie verbrauchen. Die gesammelten Daten müssen über lange Zeiträume hinweg in Rechenzentren und auf Servern gespeichert und verwaltet werden. Auch bei der Datenspeicherung und -sicherung und beim Abruf der Daten wird Energie verbraucht. Eine hochleistungsfähige Computerinfrastruktur mit vernetzten Servern ist notwendig, um mit diesen Daten Modelle Maschinellen Lernens zu trainieren, aus deren Analysen Erkenntnisse für personalisierte Werbekampagnen gewonnen werden sollen – und damit auch erhebliche Rechenressourcen, die mit einem entsprechenden kontinuierlichen Energieverbrauch einhergehen. Während des Betriebs müssen die Server außerdem gekühlt werden, was einen großen Teil des Energieverbrauchs von Rechenzentren ausmacht.

Schließlich findet ein Real-Time-Bidding statt, beim dem bestimmt wird, wie die Anzeigen platziert werden. Werbetreibende geben in Echtzeit Gebote für Anzeigenplatzierungen ab, die ihnen zum Erreichen ihrer Zielgruppen relevant erscheinen. Diese Auktionen erfordern eine schnelle Datenverarbeitung, damit diejenigen, die Anzeigen platzieren möchten, und diejenigen, die die Medien dafür anbieten, miteinander kommunizieren können. Auch das Rendern von Multimedia-Inhalten wie Bildern oder Videos, damit die Werbung auf den Endgeräten dargestellt werden kann, verbraucht Energie.

Simulations­studien

Simulationen sollen Daten darüber liefern, wie hoch der Energieverbrauch beim Einsatz von personalisierten Werbeanzeigen im Internet ist. Sie beruhen vor allem auf Daten darüber, wie hoch der Energiebedarf auf dem Endgerät ist, wenn Daten für Werbeanzeigen übertragen werden. Es ist schwierig einzuschätzen, wie viel Strom die für die Personalisierung eingesetzten KI-Systeme und Datenanalyseverfahren verbrauchen, oder auch das hierfür notwendige Speichern der Daten in Rechenzentren. Die werbetreibenden Unternehmen geizen mit Informationen darüber.

Wir haben für unsere Studie das Datenschutz-Tool OpenWPM verwendet, um Daten über Besuche von Webseiten zu sammeln, und etwa 200 der am meisten aufgerufenen deutschen Internet-Domains untersucht. Auf einem Notebook ließen wir einen Crawler automatisiert wiederholt Webseiten aufrufen und sammelten währenddessen Daten zum Energieverbrauch durch die CPU des Computers und Daten zu den übertragenen Cookies. Wir führten die Simulationen mit und ohne Werbeblocker durch, um zu messen, wie sich Werbeanzeigen auf den Energieverbrauch am Endgerät auswirken.

Die Zeit zum Aufrufen der Webseiten verringerte sich um 14 Prozent, wenn die Werbeanzeigen blockiert wurden, wodurch der Energieverbrauch durch die CPU des verwendeten Endgeräts um 10 Prozent geringer ausfiel. Abhängig von der Komplexität der besuchten Website, der Hardware des eingesetzten Endgeräts und des verwendeten Browsers fällt für den Webseiten-Aufruf für gewöhnlich ein Stromverbrauch von 0,01 – 1 Wh an. Beim Rendern einer Werbeanzeige durch die Grafikkarte fiel durchschnittlich ein Stromverbrauch von 0,005 Wh an. Von den durchschnittlich 155 Cookies mit einer mittleren Größe von 139 Bytes, die pro Webseiten-Aufruf übertragen wurden, stammten etwa 87 Prozent von Drittanbietern. Beim Aufrufen einer Webseite wurden durchschnittlich 0,2 MB an Daten durch Cookies transferiert. Durch das Ablehnen nicht essenzieller Cookies ließ sich die Anzahl der übertragenen Cookies und der entsprechende Datentransfer um jeweils 75 Prozent reduzieren. Die größten Energie-Einsparungen konnten bei Webseiten aus der Kategorie „Nachrichten und Medien“ erzielt werden, die häufig durch das Schalten von Werbeanzeigen finanziert werden.

Zwar ist der Stromverbrauch beim Aufrufen einzelner Webseiten und bei der Datenübertragung durch Cookies ziemlich gering. Allerdings werden alleine die etwa 200 hier untersuchten deutschen Webseiten monatlich über 4,5 Milliarden Mal aufgerufen. In unserem Experiment wurden jeweils nur die Startseiten besucht. In der Regel rufen Besucher*innen von Websites aber auch noch Unterseiten auf. Auf ihnen sind üblicherweise weitere Anzeigen geschaltet, für die wiederum zusätzlich Daten übertragen werden müssen.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Risiken personalisierten Online-Marketings nicht nur den Schutz der Privatsphäre betreffen. Schätzungen zufolge ist das Internet für fünf bis 15 Prozent des globalen Stromverbrauches verantwortlich – Tendenz stark steigend. Werbeanzeigen und das Sammeln von Nutzungsdaten tragen stark dazu bei. Der Datenfluss und Datenverarbeitungsprozesse, die durch Online-Werbung verursacht werden, ließen sich durch eine entsprechende Gestaltung der Technologie („Privacy by Design“) und entsprechende Voreinstellungen („Privacy by Default“) eindämmen. Unternehmen, die KI-basierte Datenanalyseverfahren einsetzen, um Nutzungsdaten für ein personalisiertes Online-Marketing zu analysieren, sollten stärker dazu verpflichtet werden, solche Ansätze zu verfolgen und Daten über den Energieverbrauch ihrer Systeme bereitzustellen, um so deren ökologischen Auswirkungen einschätzen zu können.

ANDREAS MEYER

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Distributed Artificial Intelligence Labor der TU Berlin

Er forscht unter anderem an Anwendungen von Machine-Learning-Verfahren zur Lastprognose und Nachhaltigkeit von KI-Systemen.