Magazin #2 | Sommer 2023
CO2-Hemmer oder Ressourcenfresser: Was bringt autonomes Fahren?
Autonom fahrende Kleinbusse werden als mögliche Lösung gesehen, damit Menschen im ländlichen Raum auf eine umweltfreundliche Weise mobil bleiben und besser angebunden werden. So würden sie einen Beitrag zur Mobilitätswende leisten. Wir sollten aber realistisch bewerten, wie umweltfreundlich die in ihnen integrierte KI und der Ressourcenverbrauch der Fahrzeuge wirklich sind.
Sensoren in autonomen Fahrzeugen
Autonome Fahrzeuge sind auf eine Reihe von Sensoren angewiesen, um ihre Umgebung zu erkennen und daraufhin Entscheidungen zu treffen:
Kameras
Die Objekterkennung und -klassifizierung, das Szenenverständnis, die Lokalisierung und andere Funktionen greifen auf Kameras zurück. In der Regel erfassen Bildsensoren die Umgebung, woraufhin Computer-Vision-Algorithmen die Daten verarbeiten.
Ultraschallsensoren
Die Objekterkennung und -klassifizierung, das Szenenverständnis, die Lokalisierung und andere Funktionen greifen auf Kameras zurück. In der Regel erfassen Bildsensoren die Umgebung, woraufhin Computer-Vision-Algorithmen die Daten verarbeiten.
Radar (Radio Detection and Ranging)
Mithilfe von Funkwellen erkennt dieser Sensor Objekte und deren Entfernung und misst Geschwindigkeiten und Winkel. Radare funktionieren auch unter schlechten Wetterbedingungen zuverlässig. Sie können zur Hinderniserkennung und -verfolgung, Fahrspurerkennung oder Fahrzeugverfolgung eingesetzt werden.
LiDAR (Light Detection and Ranging)
Die Fernerkundungstechnologie verwendet unter anderem für die Hinderniserkennung und Navigation Laserlicht, um schnell und genau Entfernungen zu messen und eine hochauflösende 3D-Karte der Umgebung zu erstellen.
Trägheitsmessgeräte
(IMUs – Inertial Measurement Units)
IMUs sind Sensoren, die die Beschleunigung und Winkelgeschwindigkeit messen. In autonomen Fahrzeugen werden sie genutzt, um die Bewegung zu erfassen und zu steuern.
GPS (Globales Positionsbestimmungssystem)
Das satellitengestützte Navigationssystem liefert genaue Standort- und Zeitinformationen. In autonomen Fahrzeugen ermöglicht es eine globale Lokalisierung für die Navigation und Kartierung.
Drehgeber
Diese Sensoren messen die Rotationsposition der Räder, um Informationen über die Bewegung und Position des Fahrzeugs zu liefern.
Wie viel Hardware ist nötig?
Neben den Sensoren benötigen autonom fahrende Kleinbusse weitere Hardware. Der durchschnittliche Stromverbrauch eines Busses liegt bei ~550 Wh/km. Der Anteil der Hardware-Komponenten daran beträgt nur ca. fünf Prozent. Allerdings sorgt die Produktion der Komponenten für mehr als ein Viertel der CO2-Emissionen von autonom fahrenden Kleinbussen.
KI in autonomen Fahrzeugen
KI-Systeme kommen bei der Maschinellen Wahrnehmung, Lokalisierung, Pfadplanung und Steuerung zum Einsatz.
Maschinelle Wahrnehmung
Damit ein autonom fahrender Kleinbus sicher navigieren kann, müssen Sensoren seine Umgebung abtasten. Durch Maschinelles Lernen kann die große Menge an sensorischen Daten in Echtzeit verarbeitet werden. Algorithmen werden auf großen Datensätzen von kommentierten Bildern, LiDAR-Punktwolken und Radardaten trainiert, um Objekte erkennen und klassifizieren zu können. Faltungsneuronale Netze (Convolutional Neural Networks, CNN) können Fahrzeuge, andere Verkehrsteilnehmende, Straßenschilder, Fahrspuren und Ampeln identifizieren. Das Fahrzeug nutzt die mit den Sensordaten erstellte hochauflösende Umgebungskarte, um die Fahrtroute zu planen.
Lokalisierung
Häufig werden Algorithmen zur gleichzeitigen Lokalisierung und Kartierung (Simultaneous Localization and Mapping, SLAM) eingesetzt. In Echtzeit wird mit den Daten der unterschiedlichen Sensoren eine Umgebungskarte erstellt, auf der die geschätzte Position und Ausrichtung des Fahrzeugs verzeichnet wird. Für die Lokalisierung werden vermehrt Deep-Learning-Algorithmen wie Faltungsneuronale Netze und rekurrente Neuronale Netze (RNN) eingesetzt.
Pfadplanung
Damit ein autonomes Fahrzeug einer sicheren und effizienten Fahrtroute folgen kann, verarbeiten Algorithmen auf der Grundlage von mathematischen Modelldarstellungen dynamisch die Umgebungsdaten. Um die Pfadplanung zu verbessern, werden zunehmend Algorithmen des Maschinellen Lernens eingesetzt. Deep-Learning-Algorithmen wie Faltungsneuronale Netze und rekurrente Neuronale Netze können Muster in Sensordaten wie Kamerabildern und Punktwolken von LiDAR-Sensoren erkennen, um die Position und Geschwindigkeit anderer Verkehrsteilnehmer*innen zu schätzen.
Steuerung
Die geplante Fahrtroute muss noch sicher und effizient umgesetzt werden. In dieser Steuerungsphase müssen die Position, Geschwindigkeit und Ausrichtung des Fahrzeugs über Sensordaten ermittelt werden. Bei der Fahrtrouten-Verfolgung stellen Steuerungsalgorithmen sicher, dass das Fahrzeug so genau wie möglich der Fahrtroute folgt, wobei sie die Dynamik der Umgebung berücksichtigen. Aktuatoren wie die Lenkung, Drosselklappen und Bremsen kontrollieren die Bewegung des Fahrzeugs. Für die autonome Steuerung wird oft ein Modell des Fahrzeugs verwendet, um wichtige Prozessvariablen und die dynamischen Beziehungen zwischen ihnen zu identifizieren („modellprädiktive Steuerung“).
Wie ressourcenintensiv darf die Mobilitätswende sein?
Autonomes Fahren funktioniert nur über den Einsatz von vielen Sensoren und Algorithmen. Autonom fahrende Kleinbusse können nicht als umweltschonende Hoffnungsträger der Mobilitätswende verkauft werden, solange nicht der Ressourcenverbrauch all ihrer Komponenten mitkalkuliert wird. Werden durch sie Emissionen reduziert, da die Menschen im ländlichen Raum wegen eines praktischen öffentlichen Nahverkehrs weniger PKWs nutzen? Oder verursacht der Ressourcenverbrauch der Kleinbusse sogar noch mehr Emissionen? Und gibt es vielleicht einfachere Methoden, um die Mobilitätswende im ländlichen Raum voranzubringen? Antworten auf diese Fragen stehen aus, da noch keine ehrliche Debatte über Emissionsreduzierungen und den Ressourcenverbrauch der dafür notwendigen Technik stattgefunden hat.
ANDREAS MEYER
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Distributed Artificial Intelligence Labor der TU Berlin
Andreas Meyer forscht unter anderem an Anwendungen von Machine-Learning-Verfahren zur Lastprognose und Nachhaltigkeit von KI-Systemen.