Magazin #2 | Sommer 2023
Bessere Klimabilanz durch autonom fahrende Kleinbusse?
KI und Mobilität in ländlichen Regionen
Wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen will, muss der Verkehrssektor einen wesentlichen Beitrag dazu leisten: Im Jahr 2021 verursachte er ca. ein Fünftel der gesamten deutschen Treibhausgas-Emissionen. Hier besteht also ein großes Einsparpotenzial. Laut Klimaschutzbericht 2022 ist absehbar, dass die Zielsetzung, die Emissionen des Verkehrssektors bis 2030 auf maximal 85 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente zu senken, um 41 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente verfehlt wird – wenn sich nichts an der aktuellen Entwicklung ändert. Ein Grund für die schlechte Klimabilanz des Verkehrssektors ist die weiterhin dominante Stellung des motorisierten Individualverkehrs, also des Autos. Dessen Anteil am gesamten Personenverkehr lag 2019 bei rund 74 Prozent. Eine bessere Klimabilanz als ein durchschnittlich ausgelastetes Auto weisen Bus, Bahn und das Fahrrad auf. Aus Klimaschutzsicht ist es notwendig, deren Anteile deutlich zu erhöhen.
Der Thinktank Agora Verkehrswende weist darauf hin, dass insbesondere für die etwa 30 Millionen Menschen, die in Deutschland in ländlichen Regionen leben und deren Anteil am gesamten Personenverkehr etwa 37 Prozent ausmacht, der Wechsel zu öffentlichen Verkehrsmitteln herausfordernd ist. Die Bevölkerungszahlen im ländlichen Raum sinken und das führt zu rückläufigen Nutzungszahlen im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Es ist ein finanzieller Kraftakt, die öffentlichen Personenverkehrsnetze aufrechtzuerhalten. Die Angebotsqualität des ÖPNV nimmt ab: Für viele Menschen wird die Distanz zur nächsten Haltestelle größer und damit auch die Hürde, auf das eigene Auto zu verzichten. Menschen ohne Führerschein oder eigenes Fahrzeug sind in ländlichen Regionen in ihrer Mobilität eingeschränkt. Ein gleichberechtigter Zugang zu Mobilität ist also nicht gewährleistet, was auch eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe erschwert.
Die digitale Vernetzung erleichtert Nutzer*innen Zugänge zu Sharing-Angeboten sowie zum ÖPNV, deshalb wird sie oft als treibende Kraft bei der Mobilitätswende gehandelt. Doch während digitale Angebote im dicht besiedelten urbanen Raum für die Mobilitätswirtschaft ein lukratives Geschäftsfeld sind, bleiben weitläufige, dünn besiedelte Gebiete mit niedrigen Nutzungszahlen für sie unattraktiv. Mit KI-gestützter Mobilität könnte sich diese Situation ändern. Autonom fahrende und vernetzte Kleinbusse sollen Lohnkosten senken und im ländlichen Raum flexibel einsetzbar sein. Durch solch eine effiziente und kostengünstige Erschließung dünn besiedelter Gebiete sollen mehr Menschen dazu gebracht werden, auf das eigene Auto zu verzichten. Der Verband deutscher Verkehrsunternehmen sieht in autonomen Bussen großes Potenzial und hat in seinem Sofortplan für die Mobilitätswende das Ziel formuliert, bis 2030
die Automatisierung im ÖPNV voranzubringen. Auch auf politischer Ebene wird die Entwicklung autonomer und vernetzter Fahrzeuge forciert. Seit 2016 unterstützt beispielsweise das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) in diesem Bereich 72 Forschungsprojekte mit rund 256 Millionen Euro, unter anderem um im Verkehrssektor die Klimaziele zu erreichen.
Werden aber solche Bemühungen den drängenden Herausforderungen einer klimaverträglichen Mobilität gerecht? Und wie steht es um die Nachhaltigkeit der zum Einsatz kommenden KI-Systeme und der dafür notwendigen Infrastruktur? Am Beispiel autonom fahrender Busse im ländlichen Raum hat das SustAIn-Team Antworten auf diese Fragen gesucht.
JOSEPHIN WAGNER
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung.
Im Forschungsfeld Umweltökonomie und Umweltpolitik arbeitet sie schwerpunktmäßig zu den Themen „Digitalisierung und sozialer Wandel“ sowie „ökonomische und institutionelle Analyse von Umweltpolitiken“.